Phonophobie:

Wenn Geräusche zur Angst werden

Sind wir doch einmal ehrlich zueinander! Das Hören ist doch die selbstverständlichste Sache der Welt, oder etwa nicht?

Im Themenfeld des Hörens gibt es – drücken wir es sachte aus – Beschwerden, welche den Betroffenen wirklich zu schaffen machen und wo in so mancher Lebenssituation keine wirkliche Lebensqualität mehr übrig ist.

So auch bei Menschen die unter Phonophobie leiden – der Angst vor Geräuschen. 

Beginnen wir unsere Lesereise am besten mit einem Beispiel anhand dessen Sie Phonophobie besser greifen können.

Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Mann namens Thomas. Sie arbeiten als Softwareentwickler in einem modernen Bürogebäude in der Stadt. Sie lieben Ihre Arbeit und genießen das Stadtleben, aber es gibt ein Geräusch, das Sie einfach nicht ertragen können: das Lachen und Schreien von Kindern. Es ist nicht nur die Lautstärke, die Sie stört, sondern die hohe Frequenz und die Unvorhersehbarkeit des Geräuschs. Diese Geräusche lösen bei Ihnen eine intensive Angstreaktion aus, die weit über normale Irritation hinausgeht. Sie haben eine Phonophobie entwickelt.

Die ersten Anzeichen dieser Störung traten auf, als eine Kindertagesstätte in der Nähe Ihres Büros eröffnet wurde. Zunächst empfanden Sie das Lachen und Schreien der Kinder nur als unangenehm. Aber mit der Zeit wurde Ihre Überempfindlichkeit immer stärker. Selbst das leiseste Kinderlachen konnte bei Ihnen eine starke emotionale Reaktion auslösen. Sie entwickelten eine Art emotionale Allergie gegen diese Geräusche und eine intensive Angst vor ihnen.

Ihre Angst erstreckte sich nicht nur auf die tatsächlichen Geräusche, sondern auch auf die Möglichkeit, dass sie auftreten könnten. Sie begannen, Parks und andere Orte, an denen Kinder spielen könnten, zu meiden und fühlten sich unwohl, wenn Sie in der Nähe von Kindern waren. Sie entwickelten sogar eine Angst vor den Erzieherinnen, die diese Kinder betreuten.

Die Situation wurde besonders belastend, als die Kindertagesstätte eine Außenspielzeit einführte, die genau mit Ihrer Mittagspause zusammenfiel. Sie fühlten sich diesen Geräuschen hilflos ausgeliefert und konnten sich nicht dagegen wehren. Sie mussten sie ertragen, obwohl sie sie als extrem störend empfanden. Ihre Angst führte dazu, dass Sie Vermeidungsstrategien entwickelten. Sie begannen, Kopfhörer zu tragen und verließen fluchtartig das Büro, wenn die Geräusche zu intensiv wurden.

Ihre Phonophobie hatte auch Auswirkungen auf andere Bereiche Ihres Lebens. Sie fühlten sich ständig angespannt und ängstlich und hatten Schwierigkeiten, sich auf Ihre Arbeit zu konzentrieren. Sie litten unter Schlafstörungen und hatten sogar Panikattacken. Trotz dieser Herausforderungen konnten Sie andere Geräusche, wie Ihre Lieblingsmusik, immer noch in großer Lautstärke genießen.

Ihre Phonophobie wurde schließlich so belastend, dass Sie professionelle Hilfe suchten. Mit Unterstützung eines Therapeuten begannen Sie, Ihre Angst zu verstehen und Wege zu finden, sie zu bewältigen. Sie lernten, dass Ihre Phonophobie eine erlernte Angstreaktion war und dass es möglich war, sie zu überwinden. 

Wenn Geräusche zur Angst werden: Phonophobie - die emotionale Allergie gegenüber bestimmten Klängen

Eine Phonophobie entsteht aufgrund negativer Erfahrungen mit einem bestimmten Geräusch. Zu Beginn wird das Geräusch nur als unangenehm empfunden. Im Laufe der Zeit entwickelt sich jedoch eine zunehmende Überempfindlichkeit, die die Toleranzgrenze senkt. Die Phonophobie ist daher eine erlernte Angstreaktion, die nicht vom Frequenzspektrum der Geräusche beeinflusst wird, sondern von der persönlichen Bedeutung und Bewertung. Betroffene reagieren nur auf bestimmte Geräusche, die mit negativen Erfahrungen verbunden sind, überempfindlich. Sie haben eine Aversion gegen diese Geräusche und eine Art emotionale Allergie entwickelt, die mit einer Angst vor diesen Geräuschen einhergeht. Es geht weniger um die Lautstärke, als vielmehr um die empfundene Störung. Zum Beispiel kann das Schnarchen des Partners oder das Ticken einer Uhr derart stören, dass es schwierig wird, einzuschlafen.

Menschen mit Phonophobie können auch Angst vor den Gegenständen oder Personen entwickeln, die die gefürchteten Geräusche verursachen könnten. Beispiele hierfür sind Baumaschinen, Kinderstimmen (z.B. Kindergartenpädagoginnen) oder auch Nachbarn, die stets zu laut Musik hören. Die Angst bezieht sich somit nicht nur auf den tatsächlichen „Lärm“, sondern auch auf den, der eintreten könnte.

Besonders belastend wird die Situation, wenn man diesen Geräuschen hilflos ausgeliefert ist. Wenn man sich gegen die Geräusche nicht wehren kann und sie fremdbestimmt ertragen muss, ist das das Schlimmste. Schon bei geringster Lautstärke werden die Geräusche als störend empfunden.

Die Angst führt oft zu Vermeidungsstrategien oder gar Fluchtreaktionen. In schweren Fällen wechseln Betroffene sogar den Beruf oder Wohnort. Falls das nicht möglich ist, schützen sie sich häufig mit Ohrstöpseln. Wenn sie von einem gefürchteten Geräusch überrascht werden, verlassen sie fluchtartig den Ort.

Eine Störung wie Phonophobie kann oft auf seelischen Konflikten oder Überforderungen beruhen, zum Beispiel auf unlösbaren beruflichen Problemen oder unerträglichen Wohnbedingungen. Manche Geräusche können auch auf bedrohlichen Kindheitserinnerungen basieren, die unbewusst bleiben. Laut Fachärzten sind Phonophobie-Patienten oft sensibel und empfindsam und können zusätzlich unter Depressionen und verschiedenen Angststörungen leiden.

Körperliche Symptome können mittels Biofeedback gut beobachtet werden. Dazu zählen ein Anstieg des Pulses, des Blutdrucks, Muskelanspannungen, Angstschweiß, Stimmungsabfälle und Schwindelgefühle. In extremen Fällen kann die Angst zu Panikattacken führen.

Phonophobie betrifft nur die Angst vor bestimmten Geräuschen, während man andere Geräusche, wie die Lieblingsmusik, selbst in großer Lautstärke genießen kann. Von Phonophobie unterscheidet sich eine allgemeine Geräuschüberempfindlichkeit, die als Hyperakusis bekannt ist.

Es kann vorkommen, dass die beiden Störungen, also Hyperakusis und Phonophobie, gemeinsam auftreten. Wenn die Phonophobie unbehandelt bleibt, besteht das Risiko, dass sie sich zu einer generellen Störung ausweitet, wodurch man fast jedes Geräusch ablehnt und zu fürchten beginnt. Sogar leise Geräusche wie das Tippen auf der Tastatur oder das Rauschen des Windes können dann massiv stören.

Effektive Behandlung von Hörverarbeitungsstörungen mittels Hörtherapie und Hörtraining

Um Störungen wie Phonophobie zu behandeln, können Hörtherapien und Hörtrainings von ausgebildeten Hörtherapeuten eingesetzt werden. Diese Experten sind speziell im Bereich der kognitiven Hörwahrnehmung und -verarbeitung geschult. Ein Besuch bei einem Hörtherapeuten beginnt mit einem Vorgespräch, bei dem eine Anamnese durchgeführt wird. Danach folgen Fragebögen zur subjektiven Erfassung der Höreinschränkung, ein Hörscreening-Test und gegebenenfalls ein ausführlicher Test zur objektiven Erfassung der Hörverarbeitungseinschränkung. Falls ein Hörverlust vorliegt, wird dieser ebenfalls erfasst. Basierend auf diesen Erkenntnissen wird ein individueller Therapieplan oder Hörtrainingsplan erstellt, der von 4 Wochen (z.B. bei Stressmanagement) bis zu 12 Wochen (z.B. bei Tinnitus-Therapie) dauern kann.

Während einer Hörtherapie besucht der Patient einmal pro Woche einen Hörtherapeuten und führt täglich 45-90 Minuten Training mit Therapiegeräten durch. Anschließend folgt eine Entspannungsphase (der Zeitaufwand hängt von der Therapie ab). Die Kosten für die Therapie setzen sich aus Betreuungskosten und der Miete der Therapiegeräte zusammen.

Durch regelmäßige Anwendung von Hörtherapien können neue kognitive Verarbeitungsrituale konditioniert werden und bestehende Hörverarbeitungsstrukturen wieder integriert werden. Fast alle Symptome und Probleme im Zusammenhang mit einer Phonophobie können durch Hörtraining behoben werden. Eine Hörgeräteversorgung kann ebenfalls von einem Hörtraining profitieren, da das Gehirn durch das tägliche Tragen des Hörgeräts trainiert wird und somit fit bleibt.

Um die verbesserte Hirnleistung aufrechtzuerhalten, ist es nicht notwendig, dauerhaft ein Hörtraining durchzuführen. Es reicht aus, das Gehirn regelmäßig zu stimulieren. Im Falle eines Hörverlustes bedeutet dies, dass das tägliche Tragen von Hörgeräten als Training genutzt werden kann, um das Gehirn fit und in Form zu halten.

Nehmen Sie unverbindlich Kontakt mit unserem Team bei Mohr hören auf und informieren sich über die Möglichkeiten Ihrer Phonophobie effektiv zu begegnen.